Heiner Altmeppen | Dr. Franz-Xaver Schlegel | |||||
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Kunsttermine: Herr Altmeppen, ist das, was Sie in höchster malerischer Präzision geradezu fotorealistisch zeigen nur eine Illusion von Wirklichkeit? Heiner
Altmeppen: Meine
Bilder zeigen keine Illusion von Wirklichkeit. Sie sind ein Echo der Wirklichkeit, oder mit
Zola
"eine Ecke der Schöpfung, gesehen durch ein Temperament". Generell sind sie sogar eher
desillusionierend. Allerdings habe ich mich in meinen Bildern immer um die glaubwürdige
Darstellung eines zusammenhängenden Raumes bemüht. Denn was mich als Künstler
bewegt, hat soviel
mit dem Erlebnis des Raumes zu tun, dass ich es mit flächigen Kürzeln oder gebrochenen Raumdarstellungen
wie zum Beispiel Collagen nicht vermitteln kann. Was ich mache, entsteht
aus einem Bedürfnis nach Wirklichkeit und es realisiert deren Transformation in ein
subjektives Bild, statt einer objektiven, realistischen Nachahmung. Fotorealistisch ist
das was ich mache auch nicht. Obwohl
ich viele Fotorealisten sehr schätze, habe ich
als Bewohner
des "alten Europa" andere Intentionen. Das Foto als Motiv, als
Bildgegenstand aber auch als Metapher für die Medienproblematik
interessiert mich nicht besonders. Ich benutze Fotos wie Skizzen als Gedächtnisstütze,
als Materialinformation, als Wasserträger. Fototypisches wird von mir
nicht herausgearbeitet sondern - wenn Sie genau hinsehen - in eine
zurückhaltende, persönliche Faktur verwandelt.
Kunsttermine:
Wie definieren Sie Ihre Vorstellung von Wirklichkeit im Hinblick auf
rationale und sinnliche Aspekte? Heiner
Altmeppen:
Die Wirklichkeit ist unendlich. Meine Vorstellung davon möchte ich
nicht definieren. Die Rolle der Sinnlichkeit ist die Aktivierung des Gefühls.
Wir fühlen das Sinnliche und zugleich
das, was es in uns bewirkt. Jeder kennt wahrscheinlich
die starken und tiefen Emotionen, die ein lange vergessener Geruch aus
der Kindheit in uns auslöst. Hier wird das Gefühl zum Mittler zwischen
dem Innersten und dem Außen. Als Maler geht es mir um vergleichbare
Momente intensiven Erlebens, wo das Gesehene mit dem Empfundenen
so stark korreliert, dass es ein "Gefühl des ln-der-Welt-Seins
hervorruft, das kurzfristig alle anderen
Empfindungen und Vorstellungen überlagert" (Armin Schreiber:
"Wenn es plinkt", Merkur, Juni 2009) - ein lichter Moment,
ein Augenblick der Wahrheit, sozusagen. Kunsttermine:
Sie malen auch düstere Seiten, beispielsweise die Nachtbilder
von Lastwagen auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg sowie
verwaiste Hochhäuser in einer Schneelandschaft. Oder zumindest geben
Sie Orte wieder, die entfernt davon sind,
Idylle zu sein. Wie stehen Sie zur "Schönheit" in der
Wirklichkeit und zu "Schönheit" in Ihren Bildern? Heiner
Altmeppen:
Ich selbst finde die beiden erwähnten Nachtbilder nicht düster. Auch
habe ich einige reine, ungebrochene Idyllen gemalt
wie "Grünes Ufer, grüner See" oder "Schären", die
für bestimmte
Leute viel problematischer sind als die Nachtstücke.
Ob ein Bild schön ist, hängt nicht damit zusammen, ob das,
was es darstellt, konventionell "bildschön" ist. In einem
ernsten und tiefen Sinne ist die Darstellung der halbnackten Leiche
eines grauenhaft gefolterten Mannes wie der Kruzifixus vom Isenheimer
Altar schön. Spätestens seit den Anfängen des Illusionismus im
Mittelalter spielt das Hässliche
in der Bildenden Kunst des Abendlandes eine wichtige Rolle.
Wenn das Schöne im Kunstwerk das Aufscheinen der Wahrheit
ist, wünsche und hoffe ich, dass alle meine Bilder so
gesehen schön sind. Kunsttermine:
Sie verheimlichen jedenfalls nicht, dass wir in einer
Industriegesellschaft leben. Und Sie zeigen dies auch, manchmal direkt
und manchmal subtil, wie in Ihrem Werk Norddeutsche
Landschaft. Welche Bedeutung hat für Sie die
Darstellung von Zivilisationsprozessen? Heiner
Altmeppen:
Die Bedeutung der Darstellung des Zivilisationsprozesses liegt in ihrer
Geschichtlichkeit. Ich schaffe damit Gedächtnis und zwar nicht nur eine
bleibende Erinnerung an
den Moment, in dem wir uns gerade befinden und der gleich
vorbei sein wird, sondern auch eine Art Erinnerung an die
gewesene Zeit, an Zustände, die noch aus der Kindheit ins Bewusstsein
ragen oder sogar noch davor, insofern mit den
Mitteln der Malerei, die z.B. bei der Darstellung eines modernen
Zivilisationsgegenstandes wie einer Windkraftanlage
die Richtstätten mit Rad und Galgen auf Bildern von Pieter Breughel
durchscheinen lassen können, Bezüge zur Kunst-
und Kulturgeschichte hergestellt werden. Kunsttermine:
Ich muss nachhaken: Welche Rolle spielt der Mensch in Ihren Bildern?
Gilt er gar als Störfaktor? Heiner
Altmeppen:
Der
Mensch spielt in meinen Bildern die Hauptrolle. Ich nehme nie eine
Perspektive ein, die den Menschen als
wahrnehmendes und gestaltendes Wesen verleugnet, oder ihm eine zu
geringe Bedeutung beimisst. Wenn man genau hinsieht, wird klar, dass ich
immer von der Welt der Menschen
erzähle, auch wenn sie als Bildgegenstand nicht leibhaftig in einer
Landschaft anwesend sind. Kunsttermine:
Seit einigen Jahren leben und arbeiten Sie in Rheinland-Pfalz.
Welchen Blick haben Sie heute aus der Distanz auf Ostfriesland, die
Kultur schaffende "Abenteuer-Wirklichkeit-Region"
aus der Sie stammen? Heiner
Altmeppen:
Ich habe beobachtet, dass sich Menschen, wenn sie älter werden, immer
stärker nach den Orten ihrer Kindheit und ihrer Heimat zurücksehnen.
Ich stelle das jetzt auch bei mir fest: Es braucht nur jemand Weener,
Mittling-Mark oder
Driever zu erwähnen und ich bin gerührt und stelle mir die
geklinkerten Landstraßen meiner Kindheit unter den windschiefen Alleebäumen
und den fernen Horizont am Ende der grünen Weiden vor. Mit zunehmendem
Alter ist allerdings
mindestens ebenso wichtig - wenn nicht wichtiger - das Verständnis dafür
geworden, was für eine riesige Rolle der Kulturraum spielt, in dem man
aufgewachsen ist. Hier ist man emotional verbunden und wirklich
kompetent, versteht
aus eigener Erfahrung die Form der kulturellen Hervorbringungen
vor dem Hintergrund der Landschaft, die Tiefe der Tradition, kann den
Zungenschlag, Zwischentöne und Nuancen genau einordnen und die
Bedeutung des Ungesagten ermessen. Ausgehend von hier kann man authentisch
sein und es in einem neuen Kulturraum bleiben. |
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