Zurück Home Weiter
    Heiner Altmeppen Dr. Franz-Xaver Schlegel 


Anläßlich des Themenjahres 
"Abenteuer Wirklichkeit" des  "Kulturnetzwerkes Ostfriesland"  2010
führte Dr. Franz-Xaver Schlegel von der Ausstellungszeitschrift "kunsttermine" das folgende Interview
mit Heiner Altmeppen.

x

Kunsttermine: Herr Altmeppen, ist das, was Sie in höchster malerischer Präzision geradezu fotorealistisch zeigen nur eine Illusion von Wirklichkeit?

Heiner Altmeppen: Meine Bilder zeigen keine Illusion von Wirklichkeit. Sie sind ein Echo der Wirklichkeit, oder mit Zola "eine Ecke der Schöpfung, gesehen durch ein Temperament". Generell sind sie sogar eher desillusionierend. Allerdings habe ich mich in meinen Bildern immer um die glaubwürdige Darstellung eines zusammenhängenden Raumes bemüht. Denn was mich als Künstler bewegt, hat soviel mit dem Erlebnis des Raumes zu tun, dass ich es mit flächigen Kürzeln oder gebrochenen Raumdarstellungen wie zum Beispiel Collagen nicht vermitteln kann. Was ich mache, entsteht aus einem Bedürfnis nach Wirklichkeit und es realisiert deren Transformation in ein subjektives Bild, statt einer objektiven, realistischen Nachahmung. Fotorealistisch ist das was ich mache auch nicht. Obwohl ich viele Fotorealisten sehr schätze, habe ich als Bewohner des "alten Europa" andere Intentionen. Das Foto als Motiv, als Bildgegenstand aber auch als Metapher für die Medienproblematik interessiert mich nicht besonders. Ich benutze Fotos wie Skizzen als Gedächtnisstütze, als Materialinformation, als Wasserträger. Fototypisches wird von mir nicht herausgearbeitet sondern - wenn Sie genau hinsehen - in eine zurückhaltende, persönliche Faktur verwandelt.

Kunsttermine: Wie definieren Sie Ihre Vorstellung von Wirklichkeit im Hinblick auf rationale und sinnliche Aspekte?

Heiner Altmeppen: Die Wirklichkeit ist unendlich. Meine Vorstellung davon möchte ich nicht definieren. Die Rolle der Sinnlichkeit ist die Aktivierung des Gefühls. Wir fühlen das Sinnliche und zugleich das, was es in uns bewirkt. Jeder kennt wahrscheinlich die starken und tiefen Emotionen, die ein lange vergessener Geruch aus der Kindheit in uns auslöst. Hier wird das Gefühl zum Mittler zwischen dem Innersten und dem Außen. Als Maler geht es mir um vergleichbare Momente intensiven Erlebens, wo das Gesehene mit dem Empfundenen so stark korreliert, dass es ein "Gefühl des ln-der-Welt-Seins hervorruft, das kurzfristig alle anderen Empfindungen und Vorstellungen überlagert" (Armin Schreiber: "Wenn es plinkt", Merkur, Juni 2009) - ein lichter Moment, ein Augenblick der Wahrheit, sozusagen.

Kunsttermine: Sie malen auch düstere Seiten, beispielsweise die Nachtbilder von Lastwagen auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg sowie verwaiste Hochhäuser in einer Schneelandschaft. Oder zumindest geben Sie Orte wieder, die entfernt davon sind, Idylle zu sein. Wie stehen Sie zur "Schönheit" in der Wirklichkeit und zu "Schönheit" in Ihren Bildern? 

Heiner Altmeppen: Ich selbst finde die beiden erwähnten Nachtbilder nicht düster. Auch habe ich einige reine, ungebrochene Idyllen gemalt wie "Grünes Ufer, grüner See" oder "Schären", die für bestimmte Leute viel problematischer sind als die Nachtstücke. Ob ein Bild schön ist, hängt nicht damit zusammen, ob das, was es darstellt, konventionell "bildschön" ist. In einem ernsten und tiefen Sinne ist die Darstellung der halbnackten Leiche eines grauenhaft gefolterten Mannes wie der Kruzifixus vom Isenheimer Altar schön. Spätestens seit den Anfängen des Illusionismus im Mittelalter spielt das Hässliche in der Bildenden Kunst des Abendlandes eine wichtige Rolle. Wenn das Schöne im Kunstwerk das Aufscheinen der Wahrheit ist, wünsche und hoffe ich, dass alle meine Bilder so gesehen schön sind.

Kunsttermine: Sie verheimlichen jedenfalls nicht, dass wir in einer Industriegesellschaft leben. Und Sie zeigen dies auch, manchmal direkt und manchmal subtil, wie in Ihrem Werk Norddeutsche Landschaft. Welche Bedeutung hat für Sie die Darstellung von Zivilisationsprozessen?

Heiner Altmeppen: Die Bedeutung der Darstellung des Zivilisationsprozesses liegt in ihrer Geschichtlichkeit. Ich schaffe damit Gedächtnis und zwar nicht nur eine bleibende Erinnerung an den Moment, in dem wir uns gerade befinden und der gleich vorbei sein wird, sondern auch eine Art Erinnerung an die gewesene Zeit, an Zustände, die noch aus der Kindheit ins Bewusstsein ragen oder sogar noch davor, insofern mit den Mitteln der Malerei, die z.B. bei der Darstellung eines modernen Zivilisationsgegenstandes wie einer Windkraftanlage die Richtstätten mit Rad und Galgen auf Bildern von Pieter Breughel durchscheinen lassen können, Bezüge zur Kunst- und Kulturgeschichte hergestellt werden.

Kunsttermine: Ich muss nachhaken: Welche Rolle spielt der Mensch in Ihren Bildern? Gilt er gar als Störfaktor?

Heiner Altmeppen: Der Mensch spielt in meinen Bildern die Hauptrolle. Ich nehme nie eine Perspektive ein, die den Menschen als wahrnehmendes und gestaltendes Wesen verleugnet, oder ihm eine zu geringe Bedeutung beimisst. Wenn man genau hinsieht, wird klar, dass ich immer von der Welt der Menschen erzähle, auch wenn sie als Bildgegenstand nicht leibhaftig in einer Landschaft anwesend sind.

Kunsttermine: Seit einigen Jahren leben und arbeiten Sie in Rheinland-Pfalz. Welchen Blick haben Sie heute aus der Distanz auf Ostfriesland, die Kultur schaffende "Abenteuer-Wirklichkeit-Region" aus der Sie stammen?

Heiner Altmeppen: Ich habe beobachtet, dass sich Menschen, wenn sie älter werden, immer stärker nach den Orten ihrer Kindheit und ihrer Heimat zurücksehnen. Ich stelle das jetzt auch bei mir fest: Es braucht nur jemand Weener, Mittling-Mark oder Driever zu erwähnen und ich bin gerührt und stelle mir die geklinkerten Landstraßen meiner Kindheit unter den windschiefen Alleebäumen und den fernen Horizont am Ende der grünen Weiden vor. Mit zunehmendem Alter ist allerdings mindestens ebenso wichtig - wenn nicht wichtiger - das Verständnis dafür geworden, was für eine riesige Rolle der Kulturraum spielt, in dem man aufgewachsen ist. Hier ist man emotional verbunden und wirklich kompetent, versteht aus eigener Erfahrung die Form der kulturellen Hervorbringungen vor dem Hintergrund der Landschaft, die Tiefe der Tradition, kann den Zungenschlag, Zwischentöne und Nuancen genau einordnen und die Bedeutung des Ungesagten ermessen. Ausgehend von hier kann man authentisch sein und es in einem neuen Kulturraum bleiben.




"Heiner Altmeppen hat "Abenteuer Wirklichkeit" ein Gesichtgegeben. Eines seiner Hauptwerke, die "Norddeutsche Landschaft" (1980/81), heute im Bestand der Kunsthalle Emden, bildet das Signet für die zahlreichen kulturellen Einzelprojekte des Themenjahrs."  ( kunsttermine) 

In der Ausstellung "Realismus - Das Abenteuer der Wirklichkeit" in der Kunsthalle Emden vom 23. Januar bis 24. Mai 2010 war er mit den Arbeiten "Norddeutsche Landschaft", "Verlassene Häuser" und "Landschaft an der Emscher" vertreten.

Home