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Vorwort ein
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Interview mit Marcell Perse |
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Zusammenfassung: Heiner Altmeppen ist als
gegenständlicher Maler kein "Fotorealist", kein "kritischer Realist", kein "neuer
Realist" und
eigentlich gar kein "Realist", sondern ein Sinnsucher in den
Erscheinungsformen der Wirklichkeit. |
Marcell
Perse: Heiner, in Deinem
Wikipedia-Eintrag steht gleich in der
ersten Zeile, Du zähltest zu den besten deutschen Fotorealisten. Stimmt
das? Heiner
Altmeppen: Nein, ich bin kein Fotorealist. Zumindest nicht im
Sinne der von mir zum Teil sehr geschätzten amerikanischen Kollegen wie
z.B.
Richard Estes,
Ralph Goings oder
Robert Bechtle.
Marcell
Perse: Aber "Genau wie ein Foto!", das hast Du
sicher schon gehört. Was sagst Du dazu? Heiner
Altmeppen: Dass der Unterschied zwischen den gemalten Bildern
und den Fotografien, die ich dafür verwendet habe, offensichtlich ist, wenn
man sie nebeneinander stellt. Und dass es andererseits keinen
grundsätzlichen Unterschied gibt zwischen den Gemälden mit Fotovorlagen
und denen, die ganz ohne Fotos entstanden sind, wie z.B. "Verlassene
Häuser":
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Wohnhaus in
Hamburg Stellingen 1978, Farbdia, 24 x 36 mm |
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"Haus", 1978
Ölgemälde, 81 x 73 cm |
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"Verlassene Häuser", 1990-91
Acrylgemälde, 110 x 120 cm |
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Marcell Perse: Nach der Erfindung der Fotografie hatte das
wirklichkeitsnahe Abbild in
der Kunst zeitweise einen schweren Stand - wo es nicht überhaupt für überflüssig erklärt
wurde. In Deutschland bis in die späten 1960er Jahre. Das hat Dich aber anscheinend
nicht davon abgehalten, gegenständlich zu malen und die Möglichkeiten des Fotos für
eine anscheinend realistische Darstellungsweise zu nutzen...
Heiner Altmeppen:
... wie zahllose andere Künstler seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch -
was allerdings sogar heute noch gerne schamhaft verschwiegen wird. Ich jedenfalls
würde nicht jede fromme "plein-air-Legende" unbedingt glauben. Den
Künstlern war immer klar, dass das Foto die Malerei nicht ersetzen kann,
weil naturgetreue Abbildung noch nie die eigentliche Aufgabe der Kunst gewesen ist
(1).
Deshalb hat die Fotografie der Emanzipation der gegenständlichen
Malerei von einem banalen Zweck geholfen und sie bis heute
außerordentlich bereichert. Ich sehe keinen Grund, das zu verbergen. Indem ich die spezifischen
Informationen von Fotos in meinen Bildern verarbeite, beziehe ich mich auf
Seherfahrungen, die nur in diesem Medium möglich wurden und die ich mit
meinen Zeitgenossen teile.
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Marcell Perse: OK. Nun kann man aber
Fotos ganz verschieden verwenden, z.B. wie
Franz von Lenbach oder wie
Chuck Close. Ich erinnere mich an Gespräche, wo Du die lockere und scheinbar leichte Malweise
der Impressionisten bewundert und Leute wie
Ferdinand Hodler oder
Felix Vallotton um ihre malerische Ökonomie
beneidet hast. Warum muss es dann bei Dir immer so genau und so detailiert
sein?
Heiner Altmeppen: Ich habe mir
tatsächlich manchmal gewünscht, mit sparsamerer Malerei
so genau auf den Punkt kommen zu können wie Vallotton, konnte aber Versuche in
dieser Richtung nie durchhalten. Stattdessen ertappe ich mich
immer wieder bei dem Bemühen, Auflösung und Schärfe noch weiter zu
steigern. Ich fürchte, das ist eine Neigung und ich kann sie nicht
wirklich begründen.
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Marcell Perse: So gesehen hast Du Dich in dem
"Kleinen Rasenstück bei Inden", das Du für uns - also für das Museum
Zitadelle Jülich - gemalt hast, bisher wohl am heftigsten
ausgetobt.
Das kleine Bild zeigt einen Streifen Gras im Vordergrund und dahinter in
der Tiefe eine Braunkohlen-Tagebau-Grube samt Bagger -
Gegenstand und Symbol einer besonders erbitterten Auseinandersetzung in
der politischen Diskussion unserer Tage. Ist das eine Botschaft? Bist Du
ein "kritischer Realist"?
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Heiner Altmeppen
Zugegeben, in "Kleines Rasenstück bei
Inden" gibt es offensichtliche Bezüge zum Problemdruck der
Gegenwart - außer denen zur Kunstgeschichte . Aber welche Bildgegenstände
hätten das nicht? So
halte ich z.B. die Verachtung, die dem angeblich unpolitischen Naturidyll zeit
meines Lebens entgegen geschlagen ist, für einen Indikator seines
Provokationspotentials. Dass Gegenstände im Bild je nach
Betrachtungsweise immer auch politische Bedeutung haben können, läßt
sich nicht vermeiden und ich versuche das auch gar nicht erst
sondern stehe zu meiner Zeitgenossenschaft. Aber ich
möchte eine bestimmte Deutung nicht festlegen. Meistens ist
"kritische" Kunst - besonders, wenn sie im tagespolitischen Diskurs
Partei ergreift - Illustration von vorher schon begrifflich Gewußtem und
damit eine Verkehrung des künstlerischen Prozesses. Ich bestehe
hingegen darauf, mit
der gegenständlichen Malerei einen eigenen anschaulichen Zugang zur Welt zu haben, der
schon vor den Begriffen liegt und - bei allen sinnvollen Bezügen zur Sprache
- von ihr grundsätzlich unabhängig ist und vor allem etwas Anderes.
Marcell Perse: Kein Fotorealismus, kein
kritischer Realismus. Bist Du wenigstens ein "Realist"
und wenn, was soll das heißen?
Ich meine, Du läufst ja schließlich hier und da unter der Rubrik "Neuer
Realismus". Was ist oder was bedeutet die in
Deinen Bildern aufscheinende
Wirklichkeit?
Heiner Altmeppen:
Der "neue Realismus" ist eigentlich etwas aus den späten 1960er Jahren.
Für mich war die "Überwindung der Abstraktion" kein
Thema. Mein Professor Rudolf Hausner war ein "phantastischer Realist" und
ein Star. Doch so richtig gemütlich finde ich es auch in der
großen Schublade "Realismus"
nicht. In meinen Ohren klingt "Realist" immer etwas anmaßend. Wer weiß
denn schon was Realität ist. Je nach dem, wie man "mentalmäßig so drauf
ist", kann die Realität auch ein
banales Kabuff sein, in dem man zu ersticken droht, wenn die Kunst kein
Fenster aufreißt. Gleichwohl schwankt der harte Boden der Tatsachen.
"Raum und Zeit sind Anschauungsformen a priori." Und wo wir
schon bei Immanuel Kant sind: Wenn ich den richtig verstanden habe,
werden im Kunstwerk sowieso keine Sachverhalte festgestellt sondern das
Verhältnis des Subjekts zum Objekt reflektiert. Es geht also nicht
zuerst darum, was der Verstand erkennt, sondern um die Befindlichkeit
des ganzen Menschen in der Welt - mit allen seinen geistigen Vermögen,
auch und gerade seinem Gefühl. Ich halte mich für einen von Tausenden von
Künstlern,
die seit Beginn der Renaissance das Unbegreifbare der Wirklichkeit als Motiv und
Herausforderung gesehen haben. Und ich empfinde diejenigen als die
"verwandtesten" Ahnen, die den Respekt vor den Erscheinungsformen der
Wirklichkeit über die Zurschaustellung der eigenen Gestaltungsmacht auf
der Bildfläche gestellt haben. Ausdrücklich beziehe ich mich
also auf eine Tradition in der europäischen Kunst,
deren Vertreter im eigentlichen Unterschied zur "Mentalität der Moderne" schon lange vor
der Romantik nicht an die Beherrschbarkeit des Seins geglaubt haben und die
für mich spätestens mit der Altniederländischen Malerei beginnt und über
Albrecht Altdorfer,
Hieronymus
Bosch,
Pieter Breughel und Caspar David Friedrich bis in die Gegenwart reicht.
Marcell Perse: Also kein Beitrag zur Moderne?
Heiner Altmeppen: Das hoffe ich doch. Denn die ist
krachend gescheitert und liegt hinter uns. Aber im Gegensatz zu den Desperados
unter meinen Zeitgenossen und Kommilitonen, die den
Sinnstiftungsanspruch der Kunst jetzt höhnisch bestreiten, halte ich ihn nach wie
vor für richtig und berechtigt. . |
Marcell Perse:
Gut gebrüllt, Löwe!
Heiner Altmeppen: Äih! STIMMT
doch. |
Marcell Perse ist
Autor und Leiter des
Museums Zitadelle Jülich |
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Marcell Perse |
Heiner Altmeppen |
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