Heiner Altmeppen | |
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Neuer
Realismus Was
ich mache, ist eigentlich weder neu noch realistisch. Zweifellos knüpfe
ich mit meiner Arbeit an den grundsätzlichen Illusionismus der europäischen
künstlerischen Tradition an. Diese
Tatsache verdankt sich nicht einer Entscheidung vor verschiedenen Möglichkeiten
zur Wahl, sondern hat sich aus dem Bedürfnis ergeben, mich so und nicht
anders auszudrücken. Ich
bin der Überzeugung, dass der Illusionismus keine Form ist, die sich im
historischen Gebrauch erschöpfen könnte, sondern Ausdruck einer
Haltung zur Wirklichkeit und zur Kompetenz der eigenen Sinne, die
prinzipiell nicht obsolet werden kann und von Künstlern unter veränderten
Bedingungen immer wieder eingenommen werden wird. Der
Realismus bildet hier nur eine kleinere Abteilung, zu der ich meines
Erachtens nicht gehöre. Denn was unser Zivilisationsprozess in
fortschreitenden Aussonderungsverfahren an Realität, an »Festem« übriggelassen
hat, reicht mir nicht aus. Es
gibt für den Künstler - wie eigentlich für jeden Menschen - nichts
Furchtbareres als die Banalität des Faktischen. Die Kunst eröffnet ein
Fenster aus diesem geschlossenen Raum. Gerade mit ihrer Hilfe können
wir - kantisch gesprochen - an den »transzendentalen« Punkt gelangen,
an dem die Kompetenz unseres Verstandes ein Ende findet, ohne der
Kompetenz der Sinnlichkeit entraten zu müssen (auf die sich
andererseits - nach Kant - der Verstand nur beziehen kann). Fotorealismus
Ich
lebe bewusst in der Gegenwart, sehne mich nicht nach vergangenen Zeiten
und hoffe, dass meine Form der Darstellung als zeitgenössische
kenntlich wird. Die
Verwendung des Fotos kann mir dabei in zweifacher Hinsicht nützen.
Indem ich seine spezifischen Informationen in meiner Malerei verarbeite,
beziehe ich mich auf Seherfahrungen, die nur mit diesem Medium möglich
wurden. Darüber
hinaus unterstützt das Foto die Rückbindung der Darstellung an das
Sichtbare der Wirklichkeit heute und damit deren Verbindlichkeit -
weniger im Sinne einer Versachlichung als der Gemeinsamkeit der
Erfahrung von Hersteller und Betrachter. Das
gilt unter der Voraussetzung, dass es andererseits gelingt, den einäugigen,
starren Blick der Kamera zu durchbrechen und seine Informationen der
inneren Gestalt, als dem Sediment der Erfahrung frei anzuverwandeln. Von
den Fotorealisten unterscheidet mich der medienkritische Ansatz, dessen
verschiedene Aspekte mich allenfalls am Rande interessieren. Kritischer
Realismus Die
Unterscheidung zwischen affirmativer und kritischer Kunst halte ich für
eine schwierige Sache. Leute, die sich das zutrauen, verfügen meist über
ein geordnetes Weltbild, in dem die Dinge durch Begriffe ihren festen
Platz angewiesen bekommen. Kunst
ist aber selten so eindeutig: Versöhnliches, ja sogar Beschwichtigungen
können subversiv sein, das hängt vom Rezeptionszusammenhang ab. Gute
Absichten können schlechte Wirkungen haben und umgekehrt. Kunst,
die sich in den Dienst begrifflicher Ordnungen stellt, verfehlt aber in
der Regel den ihr eigenen Zugang zur Welt , versetzt ins Anschauliche,
d. h. ins noch Vage aber Bedeutungstiefe zurück, was als Eindeutiges
eigentlich am Ende des Bewusstwerdungsprozesses steht. Ich
bin allerdings weit davon entfernt, das »Wilde Denken« der Bilder der
normierenden Macht der Sprache schlicht entgegenzustellen. Die Verhältnisse
sind sehr kompliziert geworden. Die visuellen Strategien der Normierung
in der medialisierten Bilderflut kommen heute auch ohne den
weltanschaulich erhobenen Zeigefinger aus. Romantik »Kunst
ist nichts Anderes als der Versuch, die Intensität frühester
Erfahrungen wiederzugewinnen.« Dieser
Satz von Henry Moore trifft auch den Kern meines künstlerischen
Antriebs. Meine Motive - im doppelten Wortsinn - sind die von der
sinnlichen Gegenwart evozierten Erinnerungen an Ausschnitte der Welt,
die einmal mit unsagbarer Bedeutung aufgeladen waren, einen ganzen
Lebensentwurf enthielten.
Erschienen im Ausstellungskatalog "Heiner Altmeppen - Deutsche Landschaften", Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück, Mai 1998 und Kunsthalle in Emden, Stiftung Henri und Eske Nannen, Juni-Oktober 1998 |